Wenn man die Übersetzung des Sanskrit-Wortes für Pratyahara, dem „Zurückziehen der Sinne“ hört, weiß man erstmal nicht so richtig, wie man das verstehen soll. Im Alltag geht es doch vielmehr darum, immer auf Empfang zu sein und die Sinne zu schärfen. Nur im Schlaf kriegen wir von alldem „fast“ nichts mit. Und spätestens seit der Verkehrserziehung im Fernsehen in den 70ern, ist nun auch noch der „siebte Sinn“ dazugekommen.
Was bringt es mir, die Sinne zurückzuziehen?
Im Yoga gilt meist erst einmal genau das Gegenteil, von dem was wir eigentlich gewohnt sind. Also erst mal einen Gang runterschalten, bevor es gestärkt mit neuer Power wieder zur Sache geht.
Das Ziel ist es, die Konzentration auf das Innere zu lenken, um die Quelle von Ruhe und Stille zu finden. Allein durch das Schließen der Augen kehrt bereits ein wenig Ruhe in den Körper und man wird sofort etwas ruhiger.
Allerdings ist dies ein Prozess, der für die meisten schwieriger zu erlernen ist, als der herabschauende Hund oder die Ujjayi-Atmung, denn Ablenkungen lauern ständig und überall. Stell Dir vor, Du sitzt im Zug und liest ein Buch. Es steht jemand auf und läuft durch den Gang. Du schaust von Deinem Buch auf und blickst ihm oder ihr hinterher. Dann liest Du weiter. Es ertönt eine Durchsage, dass heute der Kaffee im Bordrestaurant im Angebot ist. Du unterbrichst wieder das Lesen und hörst zu. Dann geht die Aufmerksamkeit wieder zurück zu Deinem Buch. Als Nächstes ist Dein Sitznachbar ein deftiges Käsebrot. Der Geruch steigt Dir in die Nase und Du blickst wieder auf.
Wie zieht man also die Sinne nach innen?
Indem Du auf die Ablenkungen nicht mehr reagierst. Du riechst das Käsebrot, aber Deine Konzentration bleibt bei dem Buch. Den Menschen, der durch den Gang läuft, nimmst Du zwar aus den Augenwinkeln wahr, doch es interessiert Dich nicht, weil Du Dein Buch lesen möchtest, usw. So entgehst Du der Reizüberflutung und Du bleibst mit dem Fokus auf einer Sache. In diesem Fall auf Deinem Buch. Bei Pratyahara passiert das gleiche, Du nimmst zwar die Außenreize wahr, doch Deine ungeteilte Aufmerksamkeit bleibt in Deinem Inneren.
Kurz zusammengefasst: Pratyahara ist der Zustand des Nichtreagierens auf Sinnesreize. Es heißt allerdings nicht, dass Du nichts mehr wahrnimmst, sondern vielmehr mit allem verschmilzt und nicht mehr auf alles eingehst.
Du selbst entscheidest in jedem Moment, ob Du dem Reiz, der Deinen Weg kreuzt, folgst oder ob Du einfach nicht darauf reagierst. Meist folgen wir den Reizen, da es einfacher ist, uns von ihnen ablenken zu lassen, als in unserem Inneren nach unserem wahren Selbst zu suchen.
Übrigens, selbst wenn Du zurückgezogen und in vollkommener Stille in einer Hütte im Himalaya lebst, kannst Du Dich von Reizen ablenken lassen, nämlich Deinen eigenen, z.B. der Gedanken und Reaktionen in der Vergangenheit.
Om, Shanti
Deine Diana
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